Großbritannien und Nordirland sind mit Ablauf des 31.1.2020 aus der EU ausgetreten (Brexit). Seit dem 1.1.2021 ist der Austritt von Großbritannien zollrechtlich und umsatzsteuerlich voll wirksam. Ausnahmen gelten nur für das Gebiet von Nordirland. Das Bundesfinanzministerium hat am 10.12.2020 ein Schreiben zu den Folgen des Brexits veröffentlicht. Einige Rechtsfolgen des Brexits seien ohne Anspruch auf Vollständigkeit dargestellt:
1. Status
Nordirland ist gemäß Art. 18 Nordirland-Protokoll für einen Übergangszeitraum von vier Jahren weiterhin Teil des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems der EU. Zollrechtlich jedoch gehört Nordirland sowohl zum Zollgebiet der EU als auch zum Vereinigten Königreich. Unternehmen in Nordirland erhalten weiterhin eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie eine EORI-Nummer mit dem Präfix XI-.
2. Warenlieferungen
Umsatzsteuerlich ist Großbritannien seit dem 1.1.2021 wie ein Drittland zu behandeln, mit der Folge, dass es keine innergemeinschaftlichen Lieferungen in das Gebiet oder aus dem Gebiet von Großbritannien (mit Ausnahme Nordirlands) mehr gibt. Die britischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummern (Präfix GB) sind ungültig. Es gelten nunmehr die Vorschriften für steuerfreie Ausfuhrlieferungen in Drittländer mit den entsprechenden Buch- und Belegnachweisen (z.B. ATLAS-Ausgangsvermerk).
Die Vorschriften für den EU-Versandhandel (§ 3c UStG - B2C) gelten nicht im Verhältnis zu Großbritannien. Ob eine Registrierungspflicht in Großbritannien für den Lieferer besteht, ist nach britischem Recht zu prüfen.
Für Einfuhren aus Großbritannien (incl. des Verbringens von Waren) gelten ebenfalls ab 1.1.2021 die innergemeinschaftlichen Warenverkehrsregelungen nicht mehr. Die Ware muss als Nicht-Unionsware in Deutschland verzollt und mit Einfuhrumsatzsteuer versteuert werden. Britische Unternehmen brauchen dafür in der EU einen indirekten Vertreter (Art. 170 Abs. 2 UZK), weil sie nicht mehr berechtigt sind, Zollanmeldungen in der EU abzugeben. Ausnahme ist die sog. "Einlagerungslieferung ins Zolllager" (§ 4 Nr. 4b UStG).
Bei Lieferungen von britischen Unternehmern an Private (= Nichtunternehmer) in Deutschland (B2C) ist zu prüfen, wer die Einfuhrumsatzsteuer schuldet. Schuldet sie der britische Unternehmer, muss er sich in Deutschland umsatzsteuerlich registrieren lassen und mit deutscher Umsatzsteuer abrechnen, da der Lieferort nach Deutschland verlagert wird (§ 3 Abs. 8 UStG). Ab dem 1.7.2021 gelten neue Vorschriften für den Versandhandel, die in einem eigenen Beitrag vorgestellt wurden (Umsatzsteuer im Versandhandel).
3. Sonstige Leistungen
Bei sonstigen Leistungen an britische Unternehmer (§ 3a Abs. 2 UStG - B2B) fällt ab 1.1.2021 die Meldepflicht in der Zusammenfassenden Meldung weg; in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen sind sie dennoch anzugeben. Statt der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers sollte zukünftig die britische Umsatzsteuernummer auf der Rechnung angegeben werden. Gemäß § 3a Abs. 8 UStG gelten besondere Leistungsortbestimmungen insbesondere für Güterbeförderung, Veranstaltungsleistungen und Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen.
Bei sonstigen Leistungen an Private (B2C) gelten teilweise Sonderregelungen für sog. "Katalogleistungen" gemäß § 3a Abs. 4 UStG (Empfängerort-Prinzip).
Bei sonstigen Leistungen von britischen Unternehmern an deutsche Unternehmer(B2B) ist zukünftig nicht mehr § 13b Abs. 1, sondern § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG anwendbar.
4. Elektronische Marktplätze
Beim Handel über elektronische Marktplätze müssen britische Unternehmen infolge des Brexits zukünftig eine Bescheinigung über ihre steuerliche Erfassung vorlegen, auch wenn sie die Lieferschwelle nach § 3c UStG nicht überschreiten, und stets einen inländischen Empfangsbevollmächtigten benennen. Außerdem müssen sie eine Genehmigung beantragen, wenn sie Rechnungen in elektronischer Form außerhalb des Gemeinschaftsgebiets aufbewahren wollen. Papierunterlagen sind stets in Deutschland aufzubewahren.
5. Vorsteuerabzug
Für den Vorsteuerabzug von bestimmten steuerfreien Leistungen an britische Kunden gelten künftig die Sonderregelungen des § 15 Abs. 3 UStG. Dadurch ist z.B. bei Finanzdienstleistungen, Versicherungsumsätzen, Umsätzen der Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter ein Vorsteuerabzug möglich.
6. Vorsteuererstattung
Vorsteuerbeträge aus Großbritannien können zukünftig nicht mehr im digitalen EU-Vergütungsverfahren geltend gemacht werden. Sie sind direkt in Großbritannien zu beantragen. Das Verfahren setzt die Vorlage von Originalrechnungen und Originalbelegen über Einfuhrumsatzsteuer voraus. Hierfür gelten enge Fristregelungen (in Deutschland bis 30.6. des Folgejahres).
7. OSS und MOSS
Für Fernverkäufe aus Großbritannien gilt ab 1.7.2021 ein besonderes Besteuerungsverfahren (OSS) gemäß § 18k UStG. Für bestimmte sonstige Leistungen gemäß § 3 Abs. 5 UStG gilt für Unternehmer aus Drittstaaten ein besonderes Verfahren nach § 18 Abs. 4c UStG (MOSS). Soweit dieses Verfahren nicht gilt, muss sich der britische Unternehmer in Deutschland oder einem anderen EU-Staat registrieren lassen.
München, den 27. Juli 2021
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