Scheinselbständigkeit

verfasst von 

Kurzbeitrag von RAStB Johannes Bitzer - November 2013

A. Hohes Risiko

Im letzten Jahrzehnt hat sich dieser Begriff in der Öffentlichkeit vor allem durch die Presseberichterstattung über Schwarzarbeit und andere Formen der Beschäftigung eingeprägt, ohne dass er allerdings ohne weiteres verständlich ist. Er beschreibt im Kern die Beschäftigung von Personen, die nach außen hin eine selbständige Tätigkeit ausüben, z.B. im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrages, die aber tatsächlich nach der Art und Weise ihrer Mitarbeit im Betrieb des Auftraggebers als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind. Die Scheinselbständigkeit  ist  keineswegs nur ein Phänomen gewerblicher Unternehmen, sondern kommt in allen Arten von Beschäftigungsverhältnissen vom Privathaushalt über gewerbliche Unternehmen bis hin zu öffentlichen Arbeitgebern vor. Entscheidende Motive für eine scheinselbständige Beschäftigung sind wirtschaftliche Vorteile sowohl beim  Auftraggeber als auch beim Beschäftigten selbst, insbesondere durch die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuern. Jedoch ergeben sich aus einer Entdeckung scheinselbständiger Beschäftigungsverhältnisse hohe finanzielle Risiken mit Nachzahlungsverpflichtungen von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Zinsen sowie ggf. zusätzlich Strafzahlungen.

B. Rechtliche Qualifizierung

Nicht selten geht der Wunsch für ein selbständiges Mitarbeitsverhältnis sogar vom Beschäftigten aus. Dies beeinflusst aber die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Qualifizierung der Vereinbarung durch Arbeitsgerichte, Sozialversicherungsträger oder die Finanzverwaltung kaum.

Die Behörden beurteilen jeweils unabhängig von- einander, ob eine selbständige oder eine unselbständige Tätigkeit vorliegt. Die Kriterien, die sie dabei zugrunde legen, sind zwar vergleichbar, aber nicht in allen Punkten identisch. Das macht die Abgrenzung zusätzlich kompliziert und erfordert erfahrenen fachlichen Rat. Für die Abgrenzung ist in erster Linie die tatsächliche Vertragsabwicklung von Bedeutung, wenn sie von der vertraglichen Vereinbarung abweicht. Es kommt daher nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen, sondern wie das Vertragsverhältnis nach dem Gesamtbild der Verhältnisse  tatsächlich  einzuordnen  ist.  Dabei ist zu berücksichtigen, dass jeder Fall einzeln zu beurteilen ist und dass es in der Praxis nur sehr selten absolut identische Fallgestaltungen gibt. Das liegt an der großen Zahl der Abgrenzungskriterien, von denen die gewichtigsten

  • der Grad der persönlichen Abhängigkeit,
  • Weisungsrechte  in  Bezug  auf  Ort,  Zeit  und fachliche Ausführung der Tätigkeit,
  • die Eingliederung in den Betrieb des Auftrag- gebers sowie
  • die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit,

sind.

Für eine selbständige Tätigkeit spricht es, wenn der Beschäftigte:

  • unternehmerische  Entscheidungsfreiheit  ge- nießt, ein Unternehmerrisiko trägt und
  • unternehmerische  Chancen  wahrnimmt  und hierfür
  • Eigenwerbung betreibt.

Wie gesagt, sind dies aber nur einige Kriterien, die für eine Gesamtabwägung der Abgrenzung in den meisten Fällen nicht ausreichen. Besonders häufig treten in der Praxis scheinselbständige  Arbeitsverhältnisse in folgenden Bereichen auf:

  • in der Gastronomie,
  • bei Dozenten,
  • im Einzelhandel,
  • bei Hostessen,
  • bei Omnibusfahrern,
  • bei Pflegekräften,
  • bei Taxifahrern,
  • bei Zeitungsausträgern,
  • im gesamten Baubereich.

Rechtssicherheit kann sowohl der Auftraggeber als auch der Beschäftigte dadurch erlangen, dass er im Rahmen der Sozialversicherung ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragt. Im Lohnsteuerbereich hat der Auftraggeber die entsprechende Möglichkeit, eine Lohnsteueranrufungsauskunft an sein zuständiges Finanzamt zu richten.

Im steuerlichen Bereich geht es aber nicht nur um die Rückforderung von Lohnsteuer, sondern auch um die Rückforderung zu Unrecht geltend gemachter Umsatzsteuer (Vorsteuer aus den Rechnungen der Scheinselbständigen).
Das finanzielle Risiko für den Auftraggeber/Arbeitgeber wird noch erhöht durch die Tatsache, dass Rückgriffsansprüche gegenüber dem Beschäftigten außerordentlich schwer durchzusetzen und im Sozialversicherungsbereich sogar ausdrücklich gesetzlich begrenzt sind. Auch die strafrechtlichen Konsequenzen einer Beschäftigung von Scheinselbständigen sind durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erheblich verschärft worden. Das häufig angeführte Argument, dass eine unzulässige Handhabung branchenüblich sei, ist nicht erfolgversprechend und wirkt sich i.d.R. nicht strafmildernd aus.

C. Resümee

Den vermeintlichen Vorteilen der Beschäftigung von selbständig tätigen Personen stehen ggf. existenzgefährdende finanzielle Risiken gegenüber, die nur durch rechtzeitige fachliche Beratung, die Stellung von Statusfeststellungsanträgen und Anträgen auf Lohnsteuerausrufungsauskunft vermieden werden können.

Hinweis
Die Informationen in diesem Artikel ersetzen nicht die Beratung im Einzelfall.

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