Umsatzsteuer im Versandhandel

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Neuregelung

Ab 01.07.2021 hat der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2020 die sog. Zweite Stufe des Europäischen Mehrwertsteuer-Digitalpakts umgesetzt und zahlreiche neue Umsatzsteuervorschriften in Kraft gesetzt. Zu beachten sind diese Regelungen vor allem von Unternehmen, die grenzüberschreitenden Versandhandel betreiben. Die Regelungen gelten unabhängig davon, ob der Versandhandel über das Internet oder konventionell betrieben wird. Das Bundesfinanzministerium hat bereits zwei Anwendungsschreiben zu den Neuregelungen erlassen.

Innergemeinschaftlicher Fernverkauf

Unter diesem neuen Begriff versteht man eine Warenlieferung aus einem Mitgliedstaat der EU in einen anderen Mitgliedstaat an einen Nicht-Steuerpflichtigen (insbesondere private Verbraucher - B2C) unter mindestens indirekter Beteiligung des Lieferers am Transport. Montagelieferungen, differenzbesteuerte Waren und neue Fahrzeuge sind von der Neuregelung nicht betroffen. Nach der Neuregelung gilt eine Schwelle von nur noch 10.000 Euro, kumuliert für alle EU-Staaten, und zwar nicht nur für Versandhandels­umsätze, sondern auch für sonstige Leistungen an Empfänger mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz in anderen Mitgliedstaaten. Ist die Schwelle überschritten oder hat der Lieferer auf die Anwendung der Ausnahmeregelung für Umsätze von weniger als 10.000 Euro verzichtet oder hat der Lieferer Betriebsstätten in mehreren Mitgliedstaaten, so gilt als Ort der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet (Bestimmungslandprinzip).

Damit der Lieferer sich in diesen Fällen nicht in mehreren Bestimmungsländern umsatzsteuerlich registrieren lassen muss, hat der Gesetzgeber das sog. One-Stop-Shop-Verfahren als besonderes Besteuerungsverfahren gemäß § 18j UStG (OSS-EU-Verfahren) eingeführt, um alle EU-Umsätze in einem Mitgliedstaat erklären zu können. Dazu muss sich der Lieferer vor dem ersten Umsatz, der im One-Stop-Shop angemeldet werden soll, beim Bundeszentralamt für Steuern registrieren. Ein Unternehmer, der das One-Stop-Shop-Verfahren wählt, muss dies für alle EU-Mitgliedstaaten, in denen er nicht ansässig ist, einheitlich tun. Der Meldezeitraum ist in diesem Verfahren das Kalendervierteljahr.

Eine „indirekte Beteiligung“ des Lieferers am Transport liegt bereits vor, wenn der Lieferer z.B. die gesamte oder teilweise Verantwortung für die Lieferung trägt oder die Transportkosten abrechnet und einzieht und das Geld an den beauftragten Dritten weiterleitet oder bereits dann, wenn er die Zustelldienste eines Dritten bewirbt, den Kontakt herstellt oder die benötigten Informationen an diesen übermittelt.

Fernverkäufe mit Drittlandsbezug

Wird ein Gegenstand in die EU eingeführt und dann an einen anderen EU-Staat transportiert, befindet sich der Lieferort stets am Ende der Warenbewegung, und zwar auch bei Lieferungen an Unternehmer und unabhängig von Lieferschwellen. Zusätzlich entsteht Einfuhrumsatzsteuer.

Bleibt die Ware aber in dem EU-Mitgliedstaat, in den sie eingeführt wurde, gilt dies nur dann, wenn der Lieferer das One-Stop-Shop-Einfuhrverfahren nach § 18k UStG anwendet (IOSS-Einfuhr-Verfahren). Das IOSS-Einfuhr-Verfahren gilt jedoch nur für Lieferungen mit einem Sachwert der Sendung von nicht mehr als 150 Euro. Diese Lieferungen sind von der Einfuhrumsatzsteuer befreit. Nutzt der Lieferant das IOSS nicht, so entsteht Einfuhrumsatzsteuer im Einfuhrland und auch der Lieferort verlagert sich in das Einfuhrland, falls der Lieferer die Einfuhrumsatzsteuer schuldet (§ 3 Abs. 8 UStG). Nach Verwaltungsauffassung ist für den Sachwert auf das einzelne Packstück abzustellen, selbst wenn der Kunde mehrere getrennte Bestellvorgänge ausgeführt hat. Gesonderte Packstücke, auch wenn sie taggleich beim selben Kunden ankommen, sind nicht zusammenzurechnen (vgl. Abschnitt 3.18 Abs. 6 UStAE). Gesondert ausgewiesene Transport- und Versicherungskosten gehören nicht zum Sachwert.

Sondervorschriften für Betreiber elektronischer Schnittstellen

Ebenfalls seit dem 01.07.2021 gelten wichtige neue Vorschriften für sog. elektronische Schnittstellen. Die Betreiber der elektronischen Schnittstellen werden umsatzsteuerlich Teil einer fiktiven Lieferkette, wenn sie bestimmte Lieferungen unterstützen. Außerdem ändern sich die nationalen Vorschriften für die Umsatzsteuerhaftung der Betreiber von elektronischen Schnittstellen. Auf diese Besonderheiten wird hier nicht eingegangen.

B2C-Dienstleistungen von Drittlandsunterneh­mern

Auch für Dienstleistungen durch Drittlandsunternehmer hat der Gesetzgeber ein One-Stop-Shop-Verfahren eingeführt (§ 18i UStG). Der Drittlandsunternehmer kann frei wählen, in welchem EU-Staat er sich für dieses Verfahren registrieren lässt. Das Verfahren gilt jedoch nur für sonstige Leistungen an Nicht-Steuerpflichtige (insbesondere private Verbraucher) und kann nicht für Warenlieferungen genutzt werden (dafür s.o. die One-Stop-Shop-Verfahren nach § 18j und § 18k UStG). Der Meldezeitraum ist auch in diesem Verfahren das Kalendervierteljahr.

Innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Dritt­landsunternehmern

Drittlandsunternehmer, die innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Waren ausführen, können sich ebenfalls für ein besonderes One-Stop-Shop-Verfahren registrieren lassen (§ 18h UStG). Dies gilt beispielsweise, wenn ein britischer Unternehmer Waren aus einem deutschen Lager an Privatpersonen nach Italien liefert.

Kein Vorsteuerabzug im OSS

Im Rahmen aller OSS-Verfahren gilt, dass kein Vorsteuerabzug möglich ist. Vorsteuerbeträge müssen daher im Rahmen des Vergütungsverfahrens erstattet verlangt oder im Rahmen des Voranmeldeverfahrens geltend gemacht werden, wenn der Lieferer im Inland umsatzsteuerlich registrierungspflichtig ist.

München, den 20. Juli 2021

Hier finden Sie den Kurzbeitrag als PDF-Datei:

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