Tax Compliance und die Berichtigung von Erklärungen nach § 153 AO

Aufsatz von WP/StB Hermann Pointl - Juli 2016

1. Tax Compliance

Compliance drückt einerseits die Gesetzestreue aus und andererseits aber die im Unternehmen strategisch gewollte und durchgeführte Gesetzesbefolgung mit einem Sicherungssystem, das vor Gesetzesverstößen und ihren Folgen schützen soll. Im Unternehmen wird nicht nur auf etwas passiv Akzeptiertes, sondern auf aktiv und strategisch Abgesichertes abgestellt. Die Betonung auf Compliance als Regelüberwachung stellt nur das „Kontrollieren“ in den Vordergrund.

Tax Compliance ist ein Teilbereich der gesamten Corporate Compliance eines Unternehmens und meint in erster Linie Steuern; es bezieht sich auf alle steuerrechtlichen Gesetze und Verordnungen, die sich an das Unternehmen wenden.

Tax Risikomanagement ist von Tax Compliance strikt zu trennen. Steuerrisiken zu vermeiden, ist ein neutrales Ziel und enthält keinesfalls die Wertentscheidung für Gesetzestreue. Auch Unternehmensentscheidungen sind keine rechtliche Kategorie, sondern Produkt der Unternehmensführung, die auf die Corporate Compliance eines Unternehmens einwirkt.

2. Pflicht zur Einrichtung eines Tax Compliance Systems

In der Literatur wird diskutiert, ob Unternehmen verpflichtet seien, Compliance Systeme einzurichten. Dass Unternehmen gesetzlichen Pflichten nachkommen müssen, ist unabdingbar, aber ob darüber hinaus Unternehmen gehalten sind, besondere organisatorische Vorkehrungen zu treffen, dass das Recht befolgt wird, ist umstritten. Bezogen auf Tax Compliance würde dies bedeuten, dass über die Abgabenordnung (AO) hinaus eine („ungeschriebene“) Pflicht besteht, Strukturen zu schaffen, um die Steuerpflichten bestmöglich zu erfüllen.

Zu normierten Pflichten zählen u.a.:

  • die Haftungsvorschriften der §§ 69 ff AO
  • § 87a AO zur elektronischen Kommunikation
  • § 90 AO zu den Mitwirkungspflichten
  • §§ 134-136 AO zur Personenstands- und Betriebsaufnahme
  • §§ 139a-139d AO zu den Identifikationsmerkmalen
  • §§ 140-148 AO zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen
  • §§ 193-203 AO zur Betriebsprüfung und
  • § 208 AO über die Steuerfahndung.

Das Unternehmen ist nicht gehalten, Lücken, die in Steuergesetzen existieren, selbständig zugunsten des Fiskus normativ auszufüllen.

Tax Compliance heißt nicht, Steuergesetze nicht im rechtlich möglichen Rahmen zu eigenen Gunsten auszulegen oder auf Rechtsbehelfe zu verzichten oder mit der Finanzverwaltung ein besonders gutes Klima aufrechtzuerhalten.

Somit versteht man unter Tax Compliance die Implementierung und Pflege eines Systems zur Sicherstellung der Befolgung der steuerlichen Gesetze und Vorgaben der Finanzverwaltung. Insbesondere hat sich die Umsatzsteuer für viele Unternehmen zu einem erheblichen steuerlichen Risikofaktor entwickelt, weil Mitarbeiter im Unternehmen vielfach im laufenden Tagesgeschäft umsatzsteuerliche Würdigungen mit sich wiederholenden Wirkungen vornehmen bzw. vornehmen müssen, ohne dabei (vor dem Hintergrund der oftmals komplexen Rechtslage) über sämtliche Entscheidungsgrundlagen zu verfügen.

Beispielhaft sei hier die Einstufung eines Umsatzes als Lieferung oder sonstige Leistung i.V.m. der damit einhergehenden Ortsbestimmung genannt. Ist die dabei getroffene Zuordnung unzutreffend, ergeben sich daraus erhebliche steuerliche sowie zivilrechtliche Risiken für das Unternehmen. Der Unternehmer muss daher Vorkehrungen treffen, damit die entsprechenden Entscheidungen sachgerecht koordiniert und kontrolliert werden können. Dabei kann ein in die Unternehmens-EDV integriertes Tax Compliance System die Mitarbeiter bei der Entscheidungsfindung unterstützen und dadurch die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben, Formvorschriften und Nachweisen sicherstellen. Zudem kann ein solches Tax Compliance System dazu beitragen, den gesamten Prozess anhand eines Prüfungspfades nachvollziehbar zu halten.

3. Der neue Anwendungserlass zu 153 AO

Vor diesem Hintergrund versucht die Finanzverwaltung mit dem Anwendungserlass (AEAO) zu § 153 AO, sowohl für Unternehmen als auch für die Verwaltung konkrete Orientierungen dafür zu schaffen, wann von einer einfachen Berichtigung nach § 153 AO ausgegangen werden kann. In Ziff. 2.6 dieses Erlasses wird erstmals klargestellt, dass das Vorhandensein von steuerlichen Prozessen und wirksamen Kontrollen im Unternehmen für die steuerstrafrechtliche Beurteilung maßgebend sein kann (BMF-Schreiben vom 23.5.2016, DStR 21/2016, S. 1218).

Die strafbefreiende Selbstanzeige (§ 370 AO) ist unter den Voraussetzungen des § 371 AO möglich. Vielfach kann es aber zu einem faktischen Ausschluss der Selbstanzeige kommen, wenn die Voraussetzungen - wie die Vollständigkeit der Korrekturen - i.d.R. bei komplexen Unternehmensprozessen nicht umsetzbar sind.

Von der Steuerhinterziehung abzugrenzen ist die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO), die nach der BGH-Rechtsprechung etwa der groben Fahrlässigkeit im Zivilrecht entspricht. Wurde eine Steuerverkürzung leichtfertig begangen, ist eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige möglich (§ 378 Abs. 3 AO).

Eine Anzeige- und ggf. Berichtigungspflicht trifft die Unternehmen auch nach § 153 AO (Berichtigung von Erklärungen). Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Eintritt der Festsetzungsverjährung, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, muss er dies unverzüglich anzeigen und berichtigen (§ 153 Abs. 1 Nr. 1 AO). In Fällen des 153 AO hätte der Steuerpflichtige danach wohl kein Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren zu befürchten.

4. Tax Compliance Management System als Antwort

Einem steuerlichen innerbetrieblichen Kontrollsystem wird bei der Beurteilung der Frage, ob ein vorsätzliches bzw. leichtfertiges Handeln vorliegt, Indizienwirkung beigemessen. Genauere Angaben für die Ausgestaltung des innerbetrieblichen Kontrollsystems macht das BMF nicht.

Damit bleibt es dem Unternehmen überlassen, durch Organisations- und Kontrollmaßnahmen sicherzustellen, dass sämtliche steuerlichen Erklärungen nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig sind und nachträglich erkannte Fehler unverzüglich angezeigt und korrigiert werden. Ist ein solches Tax Compliance Management System (Tax CMS) vorhanden, ist das Unternehmen gut beraten, dessen Angemessenheit bzw. Wirksamkeit zu dokumentieren. Auch hierzu werden keine Vorgaben gemacht. Geeignet erscheint der allgemeine IDW-Standard PS 980 zu Compliance Management Systemen. Für die Unternehmensleitung bedeutet dies, dass die steuerliche Prozesssicherheit immer wichtiger wird. Relevant sind nicht nur die Prozesse innerhalb der Steuerabteilung, sondern auch das Schnittstellenmanagement bei aus steuerlicher Sicht fehleranfälligen Vorprozessen.

Dem Unternehmen muss es nachweislich gelingen, durch Prozessverbesserungen Anzahl und Umfang steuerlicher Korrekturen kontinuierlich zu reduzieren.

Hier finden Sie den gesamten Beitrag als PDF Datei.
pdfTax-Compliance-130716.pdf

Lesen Sie aktuelle Nachrichten rund um das Thema Steuern und Recht.

Aktuelles

Wenn Sie Hilfe brauchen oder Fragen haben, können Sie uns gerne kontaktieren.

Kontaktformular

Dr. Langenmayr und Partner
Seidlstraße 30, 80335 München

Anfahrt

Mit Leidenschaft, Kompetenz und Überzeugung für Ihr Ziel.